"Nun wird in dieser Hinsicht Vieles davon abhängen, wie der Einzelne heute das Erlebnis des Kampfes gestalten kann: ob er fähig ist, Heldentum und Opfer gerade als eine Katharsis, als ein Mittel zur Befreiung und zum inneren Erwachen aufzunehmen. Nach altarischer Überlieferung kann ein solches Heldentum der Besten heraufbeschwörend wirken d.h. zustande bringen, daß der seit Jahrhunderten gelockerte Kontakt zwischen Welt und Überwelt wiederhergestellt wird."
(Julius Evola)
In früheren Zeiten und in anderen Kulturen war das gesamte
irdische Leben in den Kontakt mit der "anderen Seite", mit der
Überwelt und auch der Unterwelt, eingebettet. Die
Verkümmerung der modernen Seelen, die Zerstörung der Natur,
die Verödung der Kirchen, die Entartung der Verhältnisse
zwischen den Geschlechtern - zahlreiche Faktoren erschweren
den Jetztmenschen den Kontakt mit den himmlischen Mächten,
der Kontakt ist "gelockert" - ganz verloren ist er noch nicht. In
Grenzsituationen, in Gipfelereignissen schwingt sich der
Mensch zu den geistig-spirituellen Höhen empor, die unseren
"primitiven" Vorfahren selbstverständlich waren. Die stärkste
dieser Erfahrungen wird im Kampf erreicht, erkämpft. Im Kampf
mit dem äußeren und dem inneren Gegner. Der heilige Krieger
spürt die Gegenwart des Führers der himmlischen
Heerscharen, des Erzengels Michael.
Zim-Zum und Paraklet
Ist der Erzengel eine Realität oder ein Symbol? Ein Symbol ist
eine Überrealität, die zur Realität werden will. Im harten Kampf
gegen und im Vernichten des irrlichternden Luziferischen
gewinnt der exaltierte Engelsgeweihte wieder den Boden unter
den Füßen. Luzifers Trieb zum selbstbespiegelnden Bad im
Glanz der eigenen Macht, dies der geheime "faustische" Antrieb
der infernalischen Moderne, wird in der harten Probe des
Kampfes mit Michael in den Staub geworfen. So wie die reine
Weiblichkeit Mariens die Schlange, die Staubfresserin, zertritt,
vernichtet die kämpfende Männlichkeit den Feind indem sie dem
eigenen Tod in die Augen blickt.
Zu beiden, Maria und Michael, gibt es esoterische
Geheimtraditionen. Maria wird in der Gestalt der himmlischen
Sophia verehrt. Eine Identifikation die in die Gefahr der Häresie
der Quaternität führt, ein Balanceakt, der beispielsweise von
Jakob Böhme, dem intimen Kenner jenseitiger Vorgänge, der
Alchemie Gottes, nicht immer gemeistert wird. Gleichfalls
changiert die Erwartung des Paraklets zwischen den Schwingen
des Erzengels Michael und der Verlockung seines Vorgängers
und feindlichen Spiegelbilds Luzifer. Léon Bloy und Eliphas Levi,
deren unterirdische Wirkungen die Geisteswelt des Zwanzigsten
Jahrhunderts zwischen Carl Schmitt und Aleister Crowley, René
Guénon und Ernst Jünger nachhaltig beeinflußt haben, geben
Zeugnis von der schwer faßbaren Unterscheidung des
katholisch-orthodoxen Michaelkults und des häretischen
Luziferianismus, worunter wir nicht den Satanismus (als
Verherrlichung des Bösen), son-dern die Lehre von der finalen
Erlösung auch Luzifers verstehen möchten. (Raymond Barbeau:
Un prophète luciférien - Léon Bloy; Aubier 1957)
Noch schwerer wird es für den Beobachter des orthodoxen
Ostens, wo die Mystik die Unterscheidung zwischen dunklen
und lichten Seiten aufgegeben zu haben scheint. Ganz
besonders im blutgetränkten Boden Rumäniens, des
drakonischen Landes, wo die hyperboreischen Daker und die
römischen Eroberer zwischen Mithras-Kulthöhlen und
Michaels-Heiligtümern eine eigene gnostisch-mystische
Tradition etablierten, der Codreanu-Verehrer Mircea Eliade ein
Denkmal gesetzt hat. (Mircea Eliade, Von Zalmoxis zu Dschingis
Khan. Religion und Volkskultur in Südosteuropa; Köln 1982) Die
wenig bekannten hyperbo-reischen Ursprünge des
rumänischen Urvolks erwies Vasile Lovinescu unter dem
Pseudonym Geticus in der Zeitschrift "Études Traditionelles"
(jetzt: Geticus: La Dacie Hyperboréenne; Puiseaux 1997). Dieser
"integrale Traditionalist" von europäischem Rang stand mit
René Guénon und Julius Evola in Verbindung (Claudio Mutti:
Vasile Lovinescu e il suo ambiente; in: Heliodromos, Nuova
Serie 9, 1995).
In der feindseligen Interpretation Furio Jesis ist es die
kabbalistische Lehre der Leere, die den Opfermythos des
Erzengels gebiert (Furio Jesi: Kultur von rechts; Basel / Frankfurt
am Main 1984). Jesi sieht im Zim-Zum, dem Insichzurückziehen
Gottes, das der Schöpfung erst Platz schafft, die Ursache für die
Verlassenheit des Menschen, die der Sympathisant der
Eisernen Garde, Emil Cioran, obsessiv zum Ausdruck gebracht
hatte. Der Versuch, die gottverlassene Erde ("Gott hat sich
zurückgezogen" lautet auch die zeitdiagnostische Formel Léon
Bloys) durch Opfer und Selbstopfer an den Erzengel Michael
zurückzubinden, wäre demnach der geheime metaphysische
Auftrag der Legionäre. Der Kult der Heimaterde, die
entschlossene Tat, die Hingabe in Fasten und Gebet sind die
Opfergaben an den Erzengel als Statthalter des abwesenden
Gottes durch die ihm geweihte Schar: die Eiserne Garde des
Eisernen Zeitalters.
Melchisedek
Die Attribute des Erzengels Michael - das Schwert und die
Waage - finden sich auch bei der geheimnisvollen Gestalt des
Priesterkönigs Melchisedek, der die biblische Verkörperung der
universal-traditionellen Gestalt des "Königs der Welt"
(Chakra-varti), des Herrschers in der Stadt des Friedens, die
hier Salem heißt und anderswo Agarttha. Der himmlische Pol,
Metratron (in diesem Namen steckt vielleicht das Wort Mitra) ist
mit der Weltachse in der Gestalt des Michael als Fürst der
Gnade (Shekinah, aus der wiederum die bereits erwähnte
himmlische Sophia hervorgeht) verbunden. Diese
grundlegenden Zusammenhänge, die auch die Verbindung der
indisch-fernöstlichen mit den biblisch-christlichen belegen, hat
René Guénon in einem Werk dargelegt, das als eines der
Gründungsdokumente der Schule der Tradition bezeichnet
werden kann. (René Guénon: Der König der Welt; Freiburg im
Breisgau 1987) Während sich die Symbolik des Pols und des
Herrschers des Friedens durch die gesamte Literatur dieser
Schule zieht, wurde der Michael- und Melchisedek-Aspekt vor
allem von Leopold Ziegler aufgegriffen und mit seiner Lehre vom
Ewigen Menschen (Adam Kadmon) verknüpft und entfaltet.
(Leopold Ziegler: Menschwerdung; Olten 1947) Vielleicht war er
als Deutscher dazu stärker prädisponiert, schließlich ist der
Erzengel Michael der Schutzengel und Schwertträger des
Deutschen Reiches - auf der Mainzer Synode 813 wurde das
Michaelsfest am 29. September vom Papst zum Reichsfest
erhoben, 955 zog Michael auf den Reichsfahnen als Schutz-
und Bannerherr des Reiches den Heeren auf dem Lechfeld
voran, von all dem ist bloß noch die herabgesunkene
Bezeichnung "deutscher Michel" geblieben.
Für Ziegler kommt - dies seine Auslegung der Vater-Unser-Bitte
"Es komme Dein Reich" - alles auf die Mitstreiterschaft mit dem
Engel an: "Nur diese Mitstreiterschaft mit dem Engel gibt den
hiesigen Geschichtskämpfen, wie vorwändig, ja wesenlos sie
im einzelnen auch seien, ihren eigentlichen Wurzelhalt im
Übergeschichtlichen; nur sie verleiht ihnen von Fall zu Fall den
symbolischen Wert einer Vorwegnahme der einen End- und
Letztentscheidung."
Das Nest des Neuen Menschen
Das Schwert Michaels gegen die finsteren Mächte seiner Zeit,
gegen Korruption und Feigheit, gegen anwachsenden
proletarischen Ahrimanismus und hohenzollersche Dekadenz,
aber vor allem gegen die eigene Bequemlichkeit des
rumänischen Volkes, nahm ein junger Student, der vor 100
Jahren geboren wurde, auf. Die Askese nicht der
"Schlechtweggekommenen" im Sinne Nietzsches, sondern die
Askese der mit allen Eigenschaften der adeligen Seele
ausgestatteten Krieger, führte im Gefängnis einen kleinen Kreis
unter der Ikone des kämpfenden Erzengels zur Verbindung mit
jener Überwelt, die für die meisten der Normmenschen bereits
entvölkert ist.
Das Ziel der legionären Revolution war erklärtermaßen die
Herausbildung des "Omul Nou", des neuen Menschen: durch
Hingabe in Gebet und Fasten, durch Aufmärsche und durch
freiwillige Arbeitslager, die gar nichts von der Arbeitswut des
technisierten Tieres an sich haben, sondern - Ora et labora -
eine weder als Selbstzweck noch zu Produktivitätsgewinn
betriebene sinngebende neue Gemeinschaftsbildung
anstrebten. Antonio Medrano geht so weit, den Cuib (Nest), die
kleinste Einheit der Legionärsbewegung, als Athanor, in dem
das Große Werk der alchemistischen Umwandlung des
Legionärs geschieht, zu betrachten. Auch zwischen orthodoxem
Hesychasmus (dessen Verwandtschaft zur traditionellen
Anschauung auch Alexander Dugin hervorhebt) und indischen
Yogapraktiken der spirituellen Verwirklichung durch innere und
äußere Stille (Hésychia) gibt es Gemeinsamkeiten, die mit
Codreanus Anweisung: "Deine Rede sei die der Taten! Handle!
Sprich nicht!" konvergieren. Es versteht sich von selbst, daß hier
nicht die Taten im Sinne der modernen Machenschaften und der
berechneten Wirkung gemeint sind, sondern jenes
Handeln-ohne-zu-handeln, das nicht an seinem Erfolg
gemessen wird, sondern an der Reinheit der Aktion. Und die
durch das Ende im Martyrium nicht dementiert, sondern erhöht
wird.
"Die Legion erscheint uns als ein leuchtendes Phänomen der
Rückkehr zu den Ursprüngen, als eine wahrhaftige
Wiederherstellung der vornehmsten und reinsten europäischen
Tradition in dieser Epoche des Chaos und der Finsternis. In ihr
blühte die ganze Größe, Integrität und Erhabenheit der alten
asketisch-militärischen Orden wieder auf: vom alten
Mithraismus - der im romanisierten Dakien weit verbreitet war -
bis zum christlich-mittelalterlichen Rittertum."
(Antonio Medrano)
Martin Schwarz